Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit sich The Beatles aufgelöst haben.
Und obwohl sie heute immer noch als die wichtigste Popband aller Zeiten gelten, sollte zu ihnen mittlerweile alles gesagt, geschrieben oder gezeigt worden ist, was irgendwie berichtens- oder analysierenswert wäre.Von wegen!
Denn Paul McCartney hat im Verlag C.H.Beck ein neues, lesenswertes Buch auf den Markt gebracht. „Lyrics“ heißt die Pflichtleküre für die Fans von Macca, der im kommenden Jahr 80 wird. Großformatig und nahezu 1000 Seiten dick. Der Liverpooler hat eigentlich den Ruf, ein Songwriter zu sein, dem zwar die schönsten Melodien und Arrangements einfallen – aber seine Texte wirken im Vergleich dazu oft eher schlicht wirken. Siehe „Yellow Submarine“ oder „Ob-La-Di Ob-La-Da“ , das sind genau genommen Kinderlieder. Es geht aber auch anders. Das vielleicht atemberaubendste Beispiel im Buch ist aber „Check My Machine“ – eine B-Seite von 1980, aus seiner elektronischen Phase. Dieser Text besteht wirklich nur aus diesen drei Worten: „Check My Machine“.
Das Buch ist eine Art Autobiografie, eine äußerst ungewöhnliche. McCartney erklärt das im Vorwort: Er habe immer wieder Anfragen von Verlagen bekommen, ob er denn nicht sein Leben aufschreiben wolle. Aber er hat alle abgelehnt, mit der simplen Begründung: Er habe keine Tagebücher, keine Aufzeichnungen über sein Leben, die dem noch etwas hinzufügen könnten, was eh schon über ihn in allen Büchern steht.
Dann dachte er sich aber: Eigentlich sind ja meine Songtexte meine Tagebücher. Sie enthalten mein Leben, meine gesammelten und verdrängten Gedanken und Wünsche. Und wenn ich die mal nacheinander durchgehe, müsste dadurch automatisch meine Autobiografie entstehen. Und genau das ist „Lyrics“.
Und das Wichtige an "Lyrics" sind am Ende überhaupt nicht die Songtexte, sondern die kleinen Geschichten, die er um sie herum erzählt. Die Fotos und Artefakte, die er aus dem Archiv gekramt hat und hier zeigt. Handgeschriebene Entwürfe, Krimskrams. Und das ist dann tatsächlich fast durchweg faszinierend und unterhaltsam.
Das Reizende an diesem Buch sind mehr die vielen kleinen Details, die man überall findet. Da ist zum Beispiel der Brief eines weiblichen Beatles-Fans namens Marjorie angedruckt, die ihm 1963 zum 21. Geburtstag gratuliert und ihm als Geschenk einen offenbar handgehäkelten Pudel aus Wolle mitgeschickt hat. Oder die Aussage, dass er in den Text von „Eleanor Rigby“ die Niveacreme-Dose eingebaut hat, die seine Mutter immer so gern benutzte.
„Lyrics“ zeigt auffällig viele Fotos und Geschichten, die ihn als einsamen Mann im Studio zeigen. Ganz allein bei der Arbeit als musikalischen Mastermind, der fast alle Instrumente beherrscht und so genaue Vorstellungen von seinen Songs hat, dass ihn der Anschluss an das Kollektiv Beatles nur eingeschränkt haben könnte. Das ist mit Blick auf das Lebenswerk der Fab Four natürlich Blödsinn. Wolf H. Goldschmitt