Ludwigshafen, den 23. März 2016
Tag der Seelischen Gesundheit am 9. April 2016 – Fachtag von 10 bis 16 Uhr in der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises
"Die Kunst, gesund zu sein" ist das jährliche Motto, unter dem die Städte Ludwigshafen, Speyer, Frankenthal und der Rhein-Pfalz-Kreis seit über 15 Jahren rund um das Thema Seelische Gesundheit informieren. Am Samstag, 9. April 2016, stellt ein Fachtag in der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises, Europaplatz 5 in Ludwigshafen, das Recovery-Konzept thematisch in den Mittelpunkt. Während Psychiatrie früher traditionell eher darauf ausgerichtet war, Probleme, Krankheiten und Defizite zu erfassen und zu behandeln, werden in der heutigen Psychiatrie die persönlichen Erfahrungen psychisch kranker Menschen zunehmend stärker in den Blick genommen. Hierbei geht es um die Erfahrungen, die Erkrankte auf ihrem Genesungsweg, ihrer "Recovery-Reise", machen und die ihren Behandlungs- und Genesungsprozess positiv beeinflussen. Das Konzept steht für das Gesundheitspotenzial, das jeder Mensch in sich trägt und das individuell dabei helfen kann, eine psychische Erkrankung erfolgreich zu bewältigen, um trotz der Erkrankung wieder ein zufriedenes Leben führen zu können. Es zeigt außerdem auf, dass die betroffenen Menschen, die ihre psychische Erkrankung zunächst als sehr einschneidende Phase erlebt haben, wieder Hoffnung und Zuversicht zurückgewinnen können. Ein wesentliches Ziel von Recovery ist es, diese Hoffnung und Zuversicht in den Mittelpunkt des Genesungsprozesses zu bringen. Dazu ist es wichtig, dass alle Beteiligten, also auch die behandelnden Fachpersonen, gemeinsam mit den Betroffenen einen anderen Blick einnehmen.
Der Recovery-Ansatz entstand im Jahr 1990 in den USA und in England. In Deutschland wurde von Dorothea Buck, der Begründerin des Bundesverbandes Psychiatrieerfahrener und der Psychose-Seminare, der Mythos der Unheilbarkeit seelischer Erkrankungen stets kritisch hinterfragt. Prof. Dr. Michael Schulz, Studiengangsleiter für den Studiengang Psychiatrische Pflege an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld wird bei dem Fachtag am 9. April in einem Vortrag auf das Recovery-Konzept als konzeptueller Rahmen für psychosoziale Hilfe eingehen.
Des Weiteren greift der Fachtag das EX-IN-Programm auf, bei dem die Leitlinien des Recovery-Konzeptes einen besonderen Stellenwert einnehmen. Die EX-IN-Bewegung (EX-IN steht für Experienced Involvement) geht auf ein Europäisches Forschungsprojekt in den Jahren 2005 bis 2007 zurück, welches mit Mitteln aus dem Leonardo da Vinci-Programm gefördert wurde. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Fachkräfte und psychiatrieerfahrene Personen haben sich gemeinsam mit Fragen alternativer Psychiatrie beschäftigt, woraus ein Weiterbildungsprogramm entwickelt wurde, das es Psychiatrieerfahrenen ermöglicht, ihr Erfahrungswissen als Genesungsbegleiterinnen und -begleiter in den Behandlungs- und Genesungsprozess anderer Betroffener einzubringen.
Auf dieser Grundlage werden psychiatrieerfahrene Personen seit 2008 qualifiziert. Der Ansatz geht davon aus, dass Psychiatrieerfahrene über ein großes Wissen verfügen, unterstützende Haltungen, Methoden und Strukturen betreffend, das bisher kaum in die bestehende Versorgung einfließt. Als "Expertinnen und Experten durch Erfahrung" leisten sie mit ihrem Wissen einen wichtigen Beitrag bei der Konzeption von neuen, nutzerorientierten Angeboten in der psychiatrischen Versorgung. Somit können Psychiatrie-Erfahrene als EX-IN-Genesungsbegleitende beispielsweise in Kliniken, aber auch in anderen Bereichen der psychiatrischen Versorgung das Verständnis von psychischen Störungen im therapeutischen Bereich und in der Öffentlichkeit verbessern. Ganz konkret können sie zu zufriedenstellenden psychiatrischen Dienstleistungen beitragen.
Kornelia Birkemeyer, Genesungsbegleiterin aus Baden-Württemberg und Trainerin im Rahmen der EX-IN-Ausbildung stellt in einem Vortrag die EX-IN-Prinzipien und mögliche Tätigkeitsfelder vor.
Stephan Lincks, Pflegerischer Fachbereichsleiter beim Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie Klingenmünster, und Thomas Dech, Regionalleiter des Psychiatrieverbunds Nordwestpfalz, stellen in einem weiteren Vortrag die Erfahrungen aus dem operativen Geschäft des Pfalzklinikums vor. Im Anschluss hält Karin Römer, die erfolgreich die EX-IN-Ausbildung absolviert hat und bereits am Pfalzklinikum als Genesungsbegleiterin arbeitet, einen Recovery-Vortrag mit dem Titel: "Hörst Du was? – Was, Du hörst was?". Dabei berichtet Römer eindrucksvoll von ihren eigenen Erlebnissen mit ihrer Erkrankung und wie sie gelernt hat, damit umzugehen.
Ziel des Fachtages ist es, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die in unterschiedlichen Kontexten mit diesem Konzept befasst sind: Profis und Psychiatrieerfahrene als Experten in eigener Sache.
Darüber hinaus werden in einem vielfältigen und abwechslungsreichen Tagesprogramm die Angebote und Leistungen für psychisch kranke Menschen in der Region vorgestellt. Unterschiedliche Einrichtungen und Dienste der psychiatrischen Versorgung sowie Selbsthilfeorganisationen präsentieren mit Vorträgen und Infoständen ihr Leistungsspektrum im Rahmen der gemeindenahen Psychiatrie.
Als besonderen Höhepunkt unterhält die Theatergruppe des parodistischen Habba-Theaters Heidelberg die Besucherinnen und Besucher, indem sie in ihrem aktuellen Theaterstück mit dem Titel "Wer gesund sein will, muss leiden" das Thema Psychiatrie von der humorvollen Seite aufgreift. Das Habba-Theater ist eine Gruppe aus Betroffenen, Angehörigen und Freunden, die sich 2013 zusammengefunden hat und seitdem die Welt der Psychiatrie und Psychotherapie mit viel Spaß und Witz auf die Bühne bringt.
Der Fachtag wird unterstützt durch die Sparkasse Vorderpfalz, die Sparkasse Rhein-Haardt, die AOK, Print Art und die VWA Rhein-Neckar.
Der Eintritt zum Fachtag ist frei. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.woche-der-seelischen-gesundheit.de und www.ludwigshafen.de.