Weinheim. So sieht ein Schulterschluss aus: Die Träger der Weinheimer KiTas und Krippen haben in dieser Woche eine gemeinsame Erklärung verfasst und der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei verweisen sie auf den Personalmangel in ihren Einrichtungen und bereiten die Eltern auf Kürzungen der Öffnungszeiten bis hin zu temporären Schließungen vor. Gleichzeitig betonen sie das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den KiTas, ohne das schon jetzt der Betrieb nicht gewährleistet werden könne.
Die Kirchen, Vereine, sozialen Einrichtungen und freien Träger sitzen dabei in einem Boot mit der Kommune, daher gehört auch die Stadt Weinheim zu den Unterzeichnern – ebenso wie die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Rhein-Neckar e.V., das Evangelisches Verwaltungs- und Serviceamt Neckar-Bergstraße, die Kinderzentren Kunterbunt gemeinnützige GmbH, das Pilgerhaus Weinheim, die Verrechnungsstelle für Katholische Kirchengemeinden Heidelberg-Weinheim, die TSG 1862 Weinheim e.V. sowie der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik Weinheim e.V.
Insgesamt gibt es in der Großen Kreisstadt Weinheim 38 Krippen und KiTas, zehn in kommunaler Trägerschaft. Aktuell werden 1722 Kindergarten- und 220 Krippenplätze angeboten. Das sind 350 Plätze mehr als vor zehn Jahren, dazu kommen immer mehr Bedarfe nach langen Öffnungszeiten und ein erhöhter Betreuungsaufwand nach Corona. Die Bewerberzahlen bei den pädagogischen Fachkräften halten mit diesem Zuwachs und den steigenden Anforderungen aber nicht mit. Die Situation spitzt sich zu. Einschränkungen von Öffnungszeiten, Schließungen einzelner Gruppen, Reduzierung der Kinderzahlen, Verschiebungen von Aufnahmeterminen und der Ausfall von Ausflügen und Projekten sind inzwischen bei allen an der Tagesordnung, bestätigte Andreas Haller vom Weinheimer Bildungsamt, der sich jetzt in einem Pressegespräch ebenso demonstrativ an die Seite der Träger stellte wie Oberbürgermeister Manuel Just.
„Die Überlastungssituationen nehmen zu und die Träger stoßen in ihrer Handlungsfähigkeit an Grenzen“, so analysierte auch der OB. Deshalb begrüßte er ausdrücklich, dass sich die Weinheimer Kindergartenträger auf eine gemeinsame Erklärung verständigt haben. „Mir ist es wichtig zu betonen, dass alle Träger sehr engagiert im Rahmen des Möglichen daran arbeiten, flexible Lösungen zu finden und die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten“, wertschätzte Just. Dies gelinge oft noch erstaunlich gut und liege vor allem daran, dass die pädagogischen Fachkräfte mit hohem Einsatz alles dafür tun, damit sich die Kinder in den Kitas wohlfühlen und ein gutes pädagogisches Angebot erhalten. Der OB: „Das kann man gar nicht genug würdigen.“
Christa Lehner (Evangelische KiTas), Michaela Laub (Katholische KiTas), Sandra Rodemer (AWO Rhein-Neckar), Matthias Stöhrer (TSG) und Esther-Maria Loos für den Elternbeirat der KiTas bestätigten, dass aktuell bei nahezu allen Trägern mehrere Stellen unbesetzt sind, so dass es in zahlreichen Einrichtungen immer wieder zu erheblichen Einschränkungen des Angebots kommt. In der Erklärung heißt es: „Der Betrieb vieler Weinheimer Kitas ist deshalb derzeit nur durch den Einsatz von engagierten Unterstützungskräften (ohne pädagogische Fachausbildung) zu bewältigen. Insbesondere aber ist es dem Engagement und der Flexibilität der pädagogischen Fachkräfte und der Einrichtungsleitungen zu verdanken, dass die Weinheimer Kindertageseinrichtungen trotz dieser schwierigen Situation weiterhin eine gute pädagogische Arbeit leisten. Die Weinheimer Träger schätzen diesen außerordentlichen Einsatz sehr. Gleichwohl nehmen sie mit Sorge die erhöhte Arbeitsbelastung und eine daraus resultierende Erschöpfung der Fachkräfte wahr, die auch zu einer hohen Fluktuation beiträgt.“
Sie betonen auch, dass Weinheim in dieser Situation nicht alleine ist. Für Baden-Württemberg sind bis zum Jahr 2030 laut dem Fachkräfteradar der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 bis zu 40 000 zusätzliche Fachkräfte erforderlich. Um diesen Bedarf zu decken, reichen die bisher auf Landesebene umgesetzten Maßnahmen wie Ausweitung der Ausbildungskapazitäten und die Erweiterung des Fachkräftekatalogs bei weitem nicht aus.
In der Erklärung gibt es auch konkrete Verbesserungsvorschläge: „Die Weinheimer Kindergartenträger warten daher gespannt auf den vom Land Baden-Württemberg angekündigten Erprobungsparagrafen in der Kindertagesstättenverordnung (KiTaVO), den der Ministerrat am 25. Juli 2023 zur Anhörung freigegeben hat. Mit einem solchen Erprobungsparagrafen sollen die Träger die Möglichkeit bekommen, innerhalb eines rechtssicheren Rahmens zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln und zu erproben, die den Gegebenheiten vor Ort sowie den Bedürfnissen der Kinder entsprechen.“