Die Ausgestaltung einer Erinnerungskultur in der Großen Kreisstadt Sinsheim ist unlängst zu einem maßgeblichen Betätigungsfeld des örtlichen Stadtarchivs geworden. In diesem Zusammenhang entsteht als jüngstes Projekt die Erarbeitung einer digitalen, interaktiven Karte von Sinsheim und den Stadtteilen, die Erinnerungsorte zur jüdischen Geschichte abbildet. Ein Klick auf die vordefinierten Punkte wird Informationen in Text und Bild zu den Familien, Wohn- beziehungsweise Geschäftshäusern sowie öffentlichen Gebäuden oder Plätzen liefern. Ziel ist es, die jüdische Vergangenheit der Großen Kreisstadt für eine breite Öffentlichkeit im Internet erfahrbar zu machen.
Einer Veröffentlichung des Materials in dieser Form geht die intensive Suche nach vorhandenen Quellen, deren Auswertung und Aufbereitung voraus. Das Stadtarchiv benötigt dazu ehrenamtliche Unterstützung. So bot auch Wiltrud Flothow, die schon seit mehr als zwei Jahrzehnten mit großer Leidenschaft die Geschichte Sinsheims erforscht, ihre Hilfe an. Sie recherchierte unter anderem über die Familie Adler/Wolf. Hildegard Adler wurde 1912 geboren und arbeitete nach ihrer Ausbildung in der elterlichen Weinhandlung. Sie heiratete 1935 den aus Neidenstein stammenden Saly Wolf, der ebenfalls in dem Betrieb tätig wurde. Die Familie musste aufgrund der Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung ihr Geschäft aufgeben. Saly Wolf wanderte 1938 nach New York aus, seine Ehefrau Hildegard folgte ihm ein knappes Jahr später. Sie eröffneten in New York eine Metzgerei. 1942 kam ihr erster Sohn Bernard zur Welt. Als Wiltrud Flothow in ihren Recherchen an diesem Punkt angekommen war, versuchte sie, Kontakt zu Bernard Wolf herzustellen. Bis zu seinem Ruhestand war er Professor für Wirtschaftswissenschaften im kanadischen Toronto. Tatsächlich antwortete ihr Bernard Wolf und zeigte sich sehr interessiert an der Familiengeschichte. Er stellte dem Stadtarchiv Fotos seiner Eltern zur Verfügung. Mehr noch – Professor Wolf plante eine Reise, um auf den Spuren der Familie zu wandeln.
Am 24. Oktober besuchte Bernard Wolf in Begleitung von Wiltrud Flothow schließlich das Stadtarchiv. Archivmitarbeiterin Ruth Zwickel und Stadtarchivar Dr. Marco Neumaier empfingen den Gast aus Kanada. Sie zeigten ihm die originalen Quellen zur Geschichte der Familie Adler. Er erfuhr daraus Details, die ihm bisher nicht bekannt waren. Oberbürgermeister Jörg Albrecht sowie Hauptamtsleiter Marco Fulgner, denen beiden das Projekt der digitalen Erinnerungsorte sehr am Herzen liegt, begrüßten Bernard Wolf und tauchten mit in die Vergangenheit ein.
Erinnerung kann verbinden, wie diese Episode zeigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich weitere solche Kontakte zu oder sogar Begegnungen mit Nachfahren ergeben. Damit wäre ein Ziel des Projekts, nämlich das gemeinsame Gedenken an die ehemalige jüdische Bevölkerung aktiv aufrecht zu erhalten, erreicht. Das Stadtarchiv würde sich freuen, wenn insbesondere für die Bearbeitung der Stadtteile zusätzliche Ehrenamtliche dem Vorbild von Wiltrud Flothow folgen. Interessierte können gerne per E-Mail (
(Stadt Sinsheim): Bernard Wolf (M.) besuchte das Stadtarchiv und begab sich auf Spurensuche in der Geschichte seiner Familie.