Die Sportwoche gratuliert Roland Dickgießer

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Der SV Waldhof-Ehrenspielführer wird am Montag 60 Jahre alt
Obwohl in Bruchsal geboren, spielte Roland Dickgießer seit seinem 16. Lebensjahr beim SV Waldhof, bei dem er 1994 auch seine gesamte aktive Karriere beendete. Für den Waldhof absolvierte der Abwehrspieler 462 Spiele in der ersten Mannschaft und schoss dabei 18 Tore. Er stieg mit den Blau-Schwarzen 1983 – unter Trainer Klaus Schlappner – in die Bundesliga auf und gehört somit zu den Spielern, die die erfolgreichste Zeit des SV Waldhof prägten und wurde nach seiner Karriere zum Ehrenspielführer ernannt.
Die Sportwoche konnte mit Roland Dickgießer kurz vor seinem 60. Geburtstag sprechen.

SpoWo: Herr Dickgießer wie geht es in diesen schwierigen Zeiten und wie werden Sie, angesichts der Corona-Pandemie, Ihren Geburtstag feiern?

Roland Dickgießer: Danke, es geht mir sehr gut, ich bin gesund, meine Familie ebenfalls, aber natürlich wird es zum Geburtstag keine große Feier geben. Wir hätten den 60. Geburtstag gerne etwas größer gefeiert, aber das geht ja nun nicht. Daher werden wir im engen Familienkreis feiern und die größere Feier dann zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

SpoWo: Herr Dickgießer, Sie kamen im Alter von 16 Jahren zum SV Waldhof. Wie kam es dazu. Gehen junge Fußballer aus Bruchsal nicht eher zum Karlsruher SC?

Roland Dickgießer: Ja, das stimmt, Bruchsal hat ja auch das KFZ-Kennzeichen KA und daher geht es normalerweise zum KSC. Aber wie ich zum Waldhof kam, ist ganz einfach zu erklären: Ich komme aus einem einfachen Elternhaus und hatten kein Auto. Weder mein Vater noch meine Mutter hatten einen Führerschein. Mein Vater arbeitete bei der Bundesbahn und dadurch hatten wir Freikarten, um mit der Bahn zu fahren. Meine Eltern wollten mich allerdings nicht alleine mit der Bahn von Bruchsal nach Karlsruhe fahren lassen und der KSC holte Jugendspieler damals nicht von zuhause ab. Der Waldhof hatte aber so einen Fahrdienst und so wurde ich zum Training und zu den Spielen immer von unserem Betreuer, Norbert Jarosinski, abgeholt. Für meine Eltern war das am wichtigsten – ich sollte nicht alleine in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein.

SpoWo: Wie wurde man beim Waldhof überhaupt auf Sie aufmerksam?

Roland Dickgießer: Ich spielte damals in der Jugend beim TSV Langenbrücken, habe aber auch in der Kreisauswahl und in der badischen Auswahl gespielt, dabei hat mich der damalige Jugentrainer des SV Waldhof, Kurt Kobberger, gesehen. Er hat mich dann zum Waldhof geholt. .

SpoWo: Offenbar war das ein Glücksgriff für den SV Waldhof, aber auch für Sie selbst. Sie gehörten 1983 zu der Mannschaft, die sensationell in die 1. Bundesliga aufstieg. Welche Erinnerungen haben Sie an die Aufstiegssaison? Und gab es einen Zeitpunkt in dieser Saison, an dem Sie dachten: „Es könnte mit dem Aufstieg wirklich klappen?“

Roland Dickgießer: Das war eine unvergessliche Saison. Wir waren eine ganz junge Mannschaft, alle Jungs kamen aus der Region. Es gab keine Einzelstars - unsere Stärke war die mannschaftliche Geschlossenheit. Und Trainer Klaus Schlappner hat wirklich das Optimale aus der Truppe herausgeholt. Es war sensationell, wir haben nur 7 Spiele verloren. Die erste Niederlage gab es allerdings gleich am zweiten Spieltag, zuhause gegen Offenbach, gegen einen direkten Mitkonkurrenten um den Aufstieg. Aber im Rückspiel, das war der 21. Spieltag, haben wir in Offenbach 2:0 gewonnen (Torschützen: Paul Linz und Roland Dickgießer; Anm. der Redaktion), das war so ein Moment, wo wir wussten, dass wir eine große Chance hatte, aufzusteigen. Offenbach war vor diesem Spiel Tabellenführer, danach übernahmen wir die Tabellenspitze. Das war an diesem Tag das Positive, das Negative war die Randale, zu der es leider nach dem Spiel kam. Am 35. Spieltag, nach dem 3:3 in Duisburg, war dann der Aufstieg perfekt.

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SpoWo: Über die gesamte Bundesligazeit gehörten Sie zum Stammpersonal und zu den Leistungsträgern beim SV Waldhof, aber Sie waren auch international aktiv. Unter anderem in der Olympia-Auswahl, 1984 für die Olympiade in Los Angeles, in der unter anderem auch Guido Buchwald, Jimmy Hartwig, Frank Mill und Andreas Brehme spielten …

Roland Dickgießer: …, ja und Dieter Schatzschneider, aber auch Alfred Schön und Dieter Schlindwein, die mit mir ja beim SV Waldhof spielten – und Uwe Rahn, der bis 1980 beim Waldhof gespielt hatte. Los Angeles - das war ein tolles Erlebnis. Wir waren mit dem Waldhof zuvor drei Wochen in China unterwegs und nach unserer Rückkehr ging es praktisch direkt weiter nach Los Angeles.

SpoWo: Was kann man als junger Spieler aus solch einem Turnier mitnehmen?

Roland Dickgießer: Eine Auswahlmannschaft ist etwas ganz anderes als eine Vereinsmannschaft. Eine Auswahl ist eine Zweckgemeinschaft, die auf ein kurzfristiges Ziel hinarbeitet. Jeder Spieler hat ein sehr hohes Niveau und natürlich kann man von so einem Turnier immer etwas mitnehmen. Noch heute telefoniere ich mit dem einen oder anderen, um mich mit ihnen auszutauschen. Gerade vor kurzem habe ich wieder mit Dieter Schatzschneider telefoniert. Da gibt es immer noch Kontakte.

SpoWo: Nach Ihrer aktiven Karriere waren Sie auch als Trainer tätig. Zunächst bei der A-Jugend des SV Waldhof, später trainierten Sie die Amateure der TSG Hoffenheim, und als Interimstrainer auch die 1. Mannschaft, und waren auch Coach bei Astoria Walldorf. Warum war der Trainerjob für Sie trotzdem keine Option für die Zukunft?

Roland Dickgießer: Ich wollte in der Region bleiben, ich bin einfach kein Wandervogel. Als Trainer musst du immer damit rechnen, dass es zu einem Ortswechsel oder einem Umzug kommt – das wollte ich nicht. Ich hatte zwar schon während meiner Zeit beim Waldhof meine Fußballlehrer-Ausbildung in Köln gemacht, aber nicht mit dem Ziel, einmal Bundesligatrainer zu werden. Die Traineraufgabe bei der TSG Hoffenheim habe ich übernommen, weil ich dadurch einen Job in der SAP bekam, das war für mich die Voraussetzung. Ich wollte einfach die Sicherheit eines festen Arbeitsplatzes haben.

SpoWo: Wenn Sie heute noch einmal an Ihre Karriere als Fußballer zurückdenken, würden Sie etwas anders machen oder bereuen Sie etwas?

Roland Dickgießer: Nein, ich bereue nichts. Ich glaube, dass ich alles richtig gemacht habe. Zu meiner aktiven Zeit hatte man als Fußballprofi nicht ausgesorgt, wenn die Karriere vorbei war. Ich wollte in erster Linie Fußball spielen, wollte in dieser Zeit natürlich auch gut leben und etwas zurücklegen für`s Alter. Das habe ich erreicht. Natürlich hatte ich Angebote – unter anderem von Borussia Mönchengladbach und sogar aus Belgien, aber wie gesagt, ich wollte in der Region bleiben, daher kam solch ein Wechsel für mich nicht infrage. Heute kann ich sagen, dass diese Entscheidung für mich richtig war. Ich kenne viele Profis, die deutlich mehr Geld verdienten als ich, denen es aber heute viel schlechter geht als mir. Ich bin sehr zufrieden, wie für mich alles gelaufen ist und mit dem, was ich heute habe.

SpoWo: Letzte Frage, Herr Dickgießer: Sie haben sich figürlich – gegenüber Ihrer aktiven Zeit – überhaupt nicht verändert. Vor kurzem sagte ein älterer Waldhoffan über Sie: „Wenn man den Roland so sieht, denkt man, den könnte man heute noch manchmal einwechseln.“ Wie schaffen Sie das? Treiben Sie immer noch viel Sport?

Roland Dickgießer: (lacht). Nein, überhaupt nicht, da machen meine Knie auch nicht mehr mit. Der einzige Sport, den ich noch betreibe, ist Yoga. Das mag sich für viele Leute seltsam anhören, aber das tut mir gut und es strengt mehr an, als die meisten glauben. Aber es stimmt, ich wiege heute nicht mehr, als ich während meiner Fußballzeit gewogen habe, nur mit etwas weniger Muskeln. Ich wiege immer so zwischen 78 und 79 Kilo. Bei einer Körpergröße von 180 cm ist das okay. Ich habe einfach gute Gene, die habe ich wahrscheinlich von meinem Vater. Ich esse auch alles, was mir schmeckt und was auf den Tisch kommt.

SpoWo: Dann wünschen wir Ihnen zu Ihrem runden Geburtstag alles Gute, viel Gesundheit für Sie und Ihre Familie und dass Ihnen bei der Feier im engen Familienkreis ebenfalls das schmeckt, was auf den Tisch kommt und vielen Dank für dieses Gespräch.

Roland Dickgießer: Ebenfalls vielen Dank.

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Das Gespräch mit Roland Dickgießer führte Gerhard Mertin