Biosprit: Ja! Weniger Autofahren: Nein!

TechnikRadar

Die Deutschen wollen verändern, aber nicht verzichten. Das zeigt das neue TechnikRadar 2020 von acatech und Körber-Stiftung – erstmalig mit Schwerpunkt Bioökonomie. So denken die Deutschen über die biobasierte Wirtschaft:

Berlin, 20. Mai 2020 – 70,2 Prozent der Befragten finden, Deutschland müsse beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen. 74,4 Prozent denken zudem, dass es zum Schutz der Umwelt notwendig ist, unseren Konsum zu reduzieren. Bereit zu persönlichen Einschränkungen, beispielsweise beim Autofahren (29,5 Prozent) oder beim Fleischkonsum (40 Prozent), sind dagegen deutlich weniger. Das sind Ergebnisse der repräsentativen Studie TechnikRadar 2020, die von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung herausgegeben wird. Beide sind jetzt neue Partner im Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie.

„Wir sehen, dass nachhaltiges Wirtschaften den Deutschen grundsätzlich ein wichtiges Anliegen ist. Die Meinungsbildung zur Bioökonomie steht allerdings noch am Anfang. Das bietet die Chance, die Menschen mitzunehmen, um die enormen Potenziale, aber auch mögliche Nebenwirkungen in den Blick zu nehmen. Dafür brauchen wir mehr Wissensvermittlung, aber auch eine Debatte auf Augenhöhe mit denen, die diese Technologien entwickeln“, kommentiert Tatjana König, Mitglied im Vorstand der Körber-Stiftung.

Ja zu Alternativen für Plastik und Erdöl

Viele Kunststoffe wurden bisher aus Erdöl hergestellt. Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zeigen, es geht auch anders. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen (88,4 Prozent) hält es laut TechnikRadar für sinnvoll, herkömmliches Plastik durch bioökonomische Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen. Etwa 50 Prozent der Befragten versprechen sich dadurch zudem eine größere Unabhängigkeit von den internationalen Ölmärkten und Wettbewerbsvorteile für die deutsche Wirtschaft. Ebenso positiv ist die Einstellung der Befragten gegenüber Biokraftstoffen. So hält eine Mehrheit von 76,8 Prozent die Umwandlung biologischer Abfall- und Reststoffe wie Gülle, Restholz oder Kompost in Kraftstoffe für eine gute Sache, finanzielle Förderung inklusive. In der Nachbarschaft möchte man die Anlagen zur Gewinnung von Biosprit allerdings nicht haben, sagen 42,1 Prozent der Befragten.

Schwer tun sich die Befragten auch mit den Themen Ernährung und Gentechnik: Nur 40 Prozent sind der Ansicht, dass sich die Welternährung durch einen Verzicht auf Fleisch sicherstellen lässt. Im Labor gezüchtetes Fleisch aus tierischen Stammzellen ist für 57,8 Prozent der Befragten ebenfalls keine geeignete Alternative zur Sicherung der globalen Ernährung und Schonung des Klimas. Auch gegenüber der Grünen Gentechnik, die im Zusammenhang mit der Bioökonomie diskutiert wird, lässt sich eine geteilte Meinung erkennen. Bei dieser Form der Züchtung werden Gene der eigenen oder einer fremden Art in das Erbgut von Pflanzen eingebaut, um sie gegen Krankheiten und Extremwetter widerstandsfähiger zu machen und Ernteerträge zu verbessern. Nur 14,9 Prozent der Deutschen befürworten die Grüne Gentechnik. Auf größere Zustimmung stoßen dagegen konventionelle Kreuzungsverfahren (59,7 Prozent).

Der grundlegende Tenor der Studie zeigt: Die übergeordneten Ziele der Bioökonomie werden von den Deutschen weitestgehend befürwortet. Mit konkreten Technologien und Maßnahmen oder der Änderung des eigenen Verhaltens tun sich viele allerdings deutlich schwerer.

Verlässliche Aussagen auch in der aktuellen Krisensituation

Vom 19. August bis 17. September 2019 wurden für das aktuelle TechnikRadar 2.006 zufällig ausgewählte in Deutschland lebende, deutschsprachige Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt. Im Hinblick auf etwaige Verschiebungen der Einstellung der Befragten im Kontext der aktuellen Corona-Pandemie stellt Studienleiter Ortwin Renn, acatech-Präsidiumsmitglied und wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam heraus: „Möglicherweise würden die Bewertungen zu Themen der Bioökonomie, wie z. B. Nachhaltigkeit oder Klimaschutz, aufgrund der Krisenerfahrung heute etwas anders ausfallen als zum Zeitpunkt der Befragung, aber dramatische Änderungen sind in diesen Technikfeldern nicht zu erwarten. Die vorliegenden Studienergebnisse ermöglichen daher verlässliche Aussagen darüber, wie die Deutschen über diese Ziele denken“.