Viernheim.
Das wilde Herumwackeln der Rasselbande im Riesenzwinger ist fast lauter als die zaghaften Bellversuche der Wonneproppen. Seit kurzem sind die wuseligen Welpen mit den spitzen Zähnchen eine Attraktion in den Sozialen Medien. Über 1000 Anfragen für die beschlagnahmten, lebenslustigen Mischlingshunde der Rasse American Bulldog klingt schon rekordverdächtig. Die erfahrene Hundetrainerin Perdita Lübbe-Scheuermann, Mentorin des Viernheimer Tierheims, legt dort die Basis für eine gute Zukunft der Schnüffelnasen - mit Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis.
"Wer eines dieser wunderbaren Geschöpfe adoptieren will, muss "hündisch" verstehen können", verlangt die Fachfrau von den Interessenten. Ein fragender Blick. "Das bedeutet, Sachkenntnis im Umgang mit Vierbeiner ist hilfreich, aber längst kein Freibrief für künftige Frauchen oder Herrchen. Wer ernsthaft in die Auswahl für eines der hübschen Mädels oder Buben mit dem hässlichen Stempel "Listenhund" kommt, muss Zeit und Erfahrung mitbringen. Der Fragebogen, im internen Sprachgebrauch "Nadelöhr" genannt, beansprucht meist zwei Stunden. "Haben sie eine Mietwohnung, die Hundehaltung gestattet? Haben sie sich über Kosten wie Hundesteuer, Tierarzt, Versicherung, Hundeschule und Futter Gedanken gemacht? Wie viele Menschen leben im Haushalt, wie alt sind diese und hat jemand Allergien? Wie lange muss der Hund täglich alleine bleiben und was passiert im Krankheitsfall oder im Urlaub?", lauten die eher "leichteren" Fragen. Ein Führungszeugnis ist ohnehin obligatorisch.
Perdita Lübbe-Scheuermann und Tierheimleiterin Nicole Dalesio fühlen den Aspiranten mächtig auf den Zahn. Doch die Fragen nach der finanziellen Situation und den Lebensgewohnheiten der Halter in spe sind erst der Anfang. Es folgt ein Bogen, der stark an Führerscheinprüfung erinnert. Mehr als ein Dutzend Fragen mit Mehrfachantwortmöglichkeiten sind zu lösen. Wie man einen Hund beim Gassigehen oder Autofahren sichert oder was es bedeutet, wenn sich zwei fremde Hunde tief in die Augen sehen. Der Test ist umfangreich und anspruchsvoll. "Aber genau das haben die Welpen verdient", sagt die Expertin. Natürlich seien sie anders als der übliche Labradorwelpe oder der Pudelnachwuchs, aber nicht weit weg vom Cairn-Terrier oder Jack Russell.
Jene Bewerber, die glauben, ein Anruf genüge und sie könnten Tosi, Jaahaa, Schikonzi, Tokolosch, Schifufununu oder die erst zweieinhalbjährige Mutter Kalekile gleich mit nach Hause nehmen, stehen also auf verlorenem Posten. Und sobald sie die Vermittlungsgebühr von 550 Euro hören, sind ohnehin die meisten aus dem Rennen. Lediglich zwei seriöse Kandidaten täglich werden auf Herz und Nieren geprüft. Und tatsächlich haben bereits sieben der „wilden 13“ aus der illegalen Viernheimer Vermehrung ein warmes Körbchen gefunden oder bald in Aussicht. Und so haben die Youngsters mit Mama letztlich doch Glück im Unglück. Dank aufmerksamer Bürger waren alle aus einer unsachkundigen Haltung gerettet worden (wir berichteten). Mit im Boot bei der konzertierten, schnellen und unbürokratischen Beschlagnahmungsaktion auch Ordnungsamt und Polizei. „Wenn alle Ämter so rasch im Sinne des Tierschutzes handeln würden, dann gäbe es weniger Leid“, blickt Tierheimleiterin Nicole Dalesio dankbar zurück.
Anrufe wegen einer Adoption nimmt das Tierheim übrigens aus Zeitgründen nicht mehr entgegen. Wer Interesse an den American Bulldog-Mischlingen hat und sich in den kniffligen Test verbeißen möchte, schreibt künftig an die Internetadresse
So kommt man gerne auf den Hund: Unser Mitarbeiter Wolf H. Goldschmitt begeistert von der Attraktion des Vierheimer Tierheimes.