„Proaktiv in Zeiten der Pandemie“ Weinheim bringt sich beim Land als Modellstadt für pandemiegerechte Öffnungsstrategien für Einzelhandel, Gastronomie und Kultur ins Gespräch

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Weinheim. Endlich wieder shoppen, Kaffee trinken gehen, ins Konzert oder ins Kino - einige wenige Städte in der Republik haben derzeit die Chance, in einem Modellprojekt zu ermitteln, wie das pandemiegerecht funktionieren kann. Die Stadt Weinheim will dazugehören und hat sich mit entsprechenden Konzepten am Freitag bei der Stuttgarter Landesregierung ins Gespräch gebracht. Der Weinheimer Landtagsabgeordnete Ulrich Sckerl hat zugesagt, sich für Weinheim einzusetzen und die Bewerbungen den entscheidenden Organen und Gremien der Landesregierung vorzulegen. Nun hofft man im Rathaus, aber auch im Einzelhandel, der Gastronomie und der Kulturszene auf eine baldige Nachricht aus Stuttgart. Die Stadtverwaltung hat zwei getrennte aber miteinander korrespondierende Konzepte erarbeitet und vorgelegt: eines für Einzelhandel und Gastronomie, das andere für Kultur.
„Für uns geht es mit dieser Bewerbung keineswegs darum, eine willkommene Möglichkeit zur Umgehung der Reglementierungen der Corona-Verordnung zu ergreifen“, stellt Oberbürgermeister Manuel Just im Anschreiben zur Bewerbung klar, „sondern vielmehr um einen proaktiven Beitrag, wie in Zeiten der Pandemie verantwortungsbewusst eine kulturelle, wirtschaftliche und gastronomische Teilhabe für alle Akteure ermöglicht werden kann“.
In beiden Konzepten verweist der OB auf die Voraussetzungen, die seiner Ansicht nach die Eignung Weinheims als Modellstadt ausmachen.
Just führt an, dass der Einzelhandel in der Stadt geprägt ist von kleinen, inhabergeführten Ladengeschäften in der Innenstadt. Das sei der Garant dafür, dass Coronaregeln je nach Pandemielage gut eingehalten werden können. „Die Inhaber in den Geschäften sorgen selbst für eine Kontrolle und behalten den Überblick über das Geschehen. Viele Kunden sind Stammkunden und den Geschäftsinhabern bekannt“, so der Rathauschef. Im Verein „Lebendiges Weinheim“ sei ein Großteil der Einzelhändler organisiert, so dass auch hier ein schneller Informationsfluss besteht.
Bei der Gastronomie argumentiert der OB am Beispiel der Burgen und des Marktplatzes. Auch hier gebe es „ein engmaschiges Netzwerk über eine organisierte „IG Marktplatz“. Just: „Auch bei der Außenbewirtung bietet der Marktplatz genügend Raum für Abstand, gleichermaßen ist die Fläche der Außenbewirtung für den einzelnen Gastronomen überschaubar.“ Der OB gibt auch zu Bedenken: „Allerdings ist es bei schönem Wetter unvermeidbar, dass sich auch in Corona-Zeiten Menschen dort treffen, weil der Platz und die Burgen zum Beispiel Ausgangsort für Spaziergänge und Ausflüge ist. Aus unserer Sicht ist es daher viel pandemiegerechter, die Gastronomie unter Auflagen zu öffnen. So wird es den Gastronomen möglich, die Auflagen in ihren Betrieben unter Kontrolle zu halten und auf die Einhaltung der Corona-Regeln zu achten. Bei einer weiteren Schließung ihrer Betriebe könnten sie das nicht.“
Just verweist auf die Arbeit im Krisenstab und auf die Weinheimer Teststrategie, mit der es früher als anderswo zum Beispiel möglich war, an Schulen und KiTas zu testen, sowie auf das zentral gelegene Schnelltestzentrum und die Option, weitere zentrale Testmöglichkeiten zu schaffen.
Bei der Kultur erinnert Manuel Just an das erfolgreich umgesetzte Konzept „Von null auf hundert“, mit dem im vergangenen Sommer pandemiegerechte Veranstaltungen möglich waren, sowie auf ein ausgeklügeltes Hygienekonzept für die Stadthalle. Schon für die nächsten Wochen habe das Kulturbüro bereits komplett organisierte Veranstaltungen mit passenden Hygienekonzepten in der Schublade.
Über die Aktivitäten der Stadt mit dem Ziel, bei einer pandemiegerechten Rückkehr aus dem Lockdown vorne dabei zu sein, hat der Oberbürgermeister am Freitag auch den Gemeinderat informiert. Er begründet das Vorgehen unter anderem so: „Vor diesem Hintergrund gehen zahlreiche Vorschläge, Impulse, Anregungen aber auch sehr viele ungeduldige Anfragen bei mir und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung ein. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis. Diese Fragen kommen vor allem aus den Bereichen, die unter dem langen Lockdown am meisten leiden und existentiell in Not sind. Die teilweise unverständlichen politischen Beschlüsse der zurückliegenden Tage haben diese öffentliche Wahrnehmung beschleunigt.“