Moderne Büros im alten Gebälk Dachsanierung und Ausbau des Weinheimer Schlosses geht in die Endphase – Gesamtkosten bleiben im Rahmen – Historische Befunde bestätigen die Schlossgeschichte

WeinhRen

Weinheim. Die Baustelle war und ist keine leichte Aufgabe: sie musste zwei Corona-Lockdowns überstehen, mit besonderen Hygienebestimmungen für alle Baufirmen. Im Frühjahr hatte es sogar Lieferschwierigkeiten gegeben, weil die Naturschieferplatten für die Dachdeckung aus Spanien geliefert wurden. Nichtsdestotrotz biegt die Sanierung des Gebäudes A des Weinheimer Schlosses nun auf die Zielgeraden ein. Im April – wenn das Winterwetter keine Kapriolen schlägt – soll die Maßnahme komplett abgeschlossen sein. Zuvor, ab März, können die Rathaus-Mitarbeiter des Personal- und Organisationsamtes wieder einziehen, dann in moderne Büros im 300 Jahre alten Dachgebälk. Auch die Kosten für die Sanierung von Dach und Fassade, sowie in Ausbau und Modernisierung liegen bei drei Millionen Euro im vorgesehenen Rahmen.
Im Juli 2019 hatte der Gemeinderat auf Antrag des Amtes für Immobilienwirtschaft beschlossen, die notwendige Dachsanierung des Gebäudeteils „in einem Guss“ vorzunehmen, um durch Synergieeffekte Zeit und Kosten zu sparen. Der Plan ging auf. Parallel zur neuen Schieferdachdeckung wurden im Laufe des zurückliegenden Jahres die Räume im Dachgeschoss ausgebaut und mit moderner Bürotechnik ausgestattet, so dass darin das komplette Personal-und Organisationsamt untergebracht werden kann. Desweiteren wurden Restaurierungen an der Fassade und den Fenstern vorgenommen – alles natürlich nach den Vorgaben der Denkmalschutzbehörden. Mit Planung und Ausführung hat die Stadt den geschichtsbewussten Weinheimer Architekten Norbert Eimann beauftragt.
Besonders spannend: Der Weinheimer Bauhistoriker und Bauforscher Achim Wendt konnte die Bauzeit nutzen, um weitere dendrochronologische Untersuchungen des Dachgebälkholzes vorzunehmen. Daraus konnte man durchaus historische Erkenntnisse gewinnen: Das Alter des Dachstuhls kann nun aufgrund des verwendeten Weichholzes (Fichte und Tanne) auf die Jahre von zwischen 1711 und 1723 datiert werden. Damit bestätigt sich die Stadtgeschichte: Dieser Schlossteil ist circa um das Jahr 1725 in den heute sichtbaren Geschossen als Barockbau durch die Ullner von Dieburg auf älteren Fundamenten erbaut worden. Das heute sichtbare Dach auf dem Gebäudeteil A wurde um 1840 nochmals im Stil des Klassizismus umgestaltet unter nachhaltiger Weiterverwendung der barocken Hölzer mit flachgeneigtem Dach und den „Occulis“ genannten Rundfenstern im Kniestock. Besonders beeindruckend hierbei ist, dass im Dachgeschoss nicht nur enorme Holzquerschnitte freigelegt worden sind, sondern auch Holzpfetten mit bis zu 14 Meter Einzellänge.
Warum war der Ausbau erforderlich? Die Arbeitsräume, die bei einem Ausbau in den 1960er-Jahren entstanden waren, genügten weder dem Brand- noch dem Arbeitsschutz. Nun wurde ein altes Treppenhaus wieder hergestellt, das zukünftig vom Dachgeschoss bis ins Erdgeschoss durchgehend den direkten Fluchtweg nach draußen ermöglicht.
Auf einer Fläche von knapp 500 Quadratmeter sind etwa 20 Arbeitsplätze mit ergänzenden Nebenräumen entstanden. Dafür genehmigte die Denkmalpflege sogar den Einbau von über 30 neuen Dachflächenfenstern, die sich in Größe und äußerem Erscheinungsbild der historischen Hülle unterordnen.
Im Zuge der baubegleitenden Untersuchungen durch Statiker, Holzschutz- und Schadstoff- und Brandschutzgutachter ergaben sich während der Bauzeit weitere neue Aufgaben, unter anderem auch eine größere Schadstoffsanierung. Ebenso hat sich im Rahmen der Komplettfreilegung des Dachgeschosses gezeigt, dass mehr Versorgungsleitungen in den angrenzenden Gebäudeteilen mit erneuert werden mussten.
In der Sitzung des Ausschusses für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung am kommenden Mittwoch stehen daher Nachträge in den Gewerken Dachdecker-, Trockenbau- und Gerüstarbeiten zur Beschlussfassung an. Unter anderem durch die längere Standzeit des Gerüsts ist hier eine Auftragserhöhung notwendig. Das gilt für die Dachdeckerarbeiten mit Naturschiefer, die im äußeren Erscheinungsbild baubegleitend mit der Denkmalpflege abgestimmt worden sind und dadurch aufwändiger wurden. Deutliche Mehrkosten sind im Gewerk Trockenbau zu verzeichnen. Durch die Ausschreibung bereits im November und Dezember 2019 konnten hier die später bei der Entkernung festgestellten Detailpunkte und die Anpassung der Ausführung noch nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Allerdings konnten der Architekt und die Bauherren der Stadt an anderen Stellen Kosten reduzieren, so dass sich der Gesamtrahmen - inklusive der Nachträge - dennoch im Rahmen der vom Gemeinderat im Juli 2019 bewilligten Kosten von rund drei Millionen Euro bewegen. Das Landesamt für Denkmalpflege hat Fördermittel als Zuschuss in einer Höhe bis zu rund 85 000 Euro für die Gesamtmaßnahme bewilligt . Auch wurde für die Umstellung der Beleuchtung auf energiesparende LED-Beleuchtung von der Forschungszentrum Jülich GmbH ein Zuschuss in Höhe von rund 7000 Euro zugesagt.